Wie sich der Kiebitz im Wertinger Ried wieder ausbreiten kann

Die Landwirte spielen beim Schutz der Wiesenbrüter eine große Rolle. Biologe Anton Burnhauser informiert bei der Mitgliederversammlung der Grünen.

Es ist ein Auf und Ab, ein Hoffen und Bangen, was Anton Burnhauser als Gastreferent vor den Mitgliedern des Ortsverbandes von B`90/Die Grünen Wertingen-Zusamaltheim schildert. Intensive Landwirtschaft, Trockenheit und Klimawandel bedrohen Wiesenbrüter, die alljährlich im Donauried brüten und dort ihren Nachwuchs großzuziehen. Ganz oben auf der Liste der verschwindenden Arten steht der Kiebitz, bekannt durch die charakteristische spitze Feder auf dem Kopf und den spektakulären, gaukelnden Balzflug. Anton Burnhauser, seit Jahrzehnten federführend tätig im Wiesenbrüterschutz in Schwaben, gibt dem Kiebitz im Wertinger Ried dennoch eine Chance: „Wenn wir an den richtigen Schrauben drehen, schaffen wir das.“

In den 1990er-Jahren noch war der Kiebitz ein „Allerweltsvogel“, wie Burnhauser sagt. Kiebitze sind Kulturfolger, kommen ursprünglich aus der Steppe und bevorzugen deshalb offene Landschaften, wie sie ihnen das Ried bietet. Auf feuchten, mageren Wiesen finden sie Nahrung, ebenso an flachen Ufern von Gewässermulden oder großen Pfützen, in denen das Wasser eine Zeit lang steht, so dass sich Insekten dort ansiedeln. Regenwürmer, Blattkäfer, Wiesenschnecken gehören zur bevorzugten Nahrung. Die Jungvögel brauchen magere Wiesen, in denen sie sich bewegen können ebenso wie Deckungsstrukturen, wenn Gefahr droht. Ihre natürlichen Feinde sind Füchse, Greifvögel oder Rabenkrähen. Zum Verhängnis wird aber auch der Mensch, wenn er in Begleitung von Vierbeinern die Jungtiere aufschreckt. Burnhauser: „Wenn Hunde auf den Wiesen herumspringen, ist es für den Kiebitz vorbei.“

Der Kiebitz nistet in der Nähe von Gewässern oder Wassermulden, die ihm Nahrung bieten, mitten auf dem Feld. Das ist ein Problem, seit sich die Kulturlandschaft im Ried und in anderen Gegenden von Schwaben verändert hat in Richtung Intensivlandwirtschaft. Die Kiebitz- und andere Wiesenbrüterbestände gehen rasant zurück. Anton Burnhauser spricht von einem „Aderlass an bodenbrütenden Arten“. Der Bestand an Kiebitzen ist in 25 Jahren um ein Dreiviertel zurückgegangen, betont Burnhauser. Die europäische Vogelschutzrichtlinie sehe vor, dass im Bestand bedrohte Arten geschützt werden müssen. Die Regierung von Schwaben hat deshalb seit 2015 mit dem Wiesenbrüter-Brutplatzmanagement das Heft des Handelns selbst in die Hand genommen. Der Wiesenbrüterschutz, der auch andere Arten beinhaltet, ist also staatliche Aufgabe. Träger von Projekten sind unter anderem Landschafts- und Naturschutzverbände. 14000 Hektar gehören in Schwaben zum Projekt und decken damit 60 Prozent des schwäbischen Kiebitzbestandes ab. Wichtige Partner sind 130 Landwirte, die sich am Kiebitzschutz beteiligen.

Wird ein Kiebitznest vom „Wiesenbrüter-Berater“ aufgespürt, wird es mit Stäben abgesteckt, so dass der Landwirt erkennt, wo sich das Nest befindet und dieses von der Feldbewirtschaftung aussparen kann. Für die Dauer der Brutsaison schließen die Berater einen einfachen Vertrag mit dem Landwirt ab, und es gibt auch eine Entschädigung dafür. „Landwirte sind Kiebitzschützer“, sieht Burnhauser einen hohen Wert in der Zusammenarbeit, „der Kiebitz wäre nicht mehr da, wenn Landwirte nicht immer schon aufgepasst hätten.“

Doch damit nicht genug. Auf den Ausgleichsflächen des Landkreises Dillingen und der Stadt Wertingen im Wertinger Ried wurde ein Lebensraum geschaffen, der dem Kiebitz und anderen Wiesenbrütern helfen soll, dort wieder heimisch zu werden. Aus Maisäckern wurden Wiesen mit Wassermulden. Das Gelände wird von Ziegen beweidet, so dass das Gras kurzgehalten ist. Auf den Wiesen entwickeln sich Kleinstrukturen und Pflanzen, die Insekten anziehen und den Wiesenbrütern Nahrung bieten. Der Erfolg stellt sich – Rückschläge inbegriffen – nach und nach ein. Im Jahr 2021 gab es dort besonders viele Jungvögel, im vergangenen Jahr wurden nur vier kleine Kiebitze gezählt. „Der Bruterfolg schwankt“, sagt Anton Burnhauser, er hänge auch sehr von der Witterung ab. Im vergangenen Jahr war es wohl zu trocken, Jungvögel seien wahrscheinlich verhungert.

Wie mit diesen wechselnden Umständen umzugehen ist, wurde auf der Grünen-Mitgliederversammlung mit Anton Burnhauser diskutiert. Geschützt werden müsse das Wiesenbrütergebiet vor allem vor dem zunehmenden Freizeitdruck, der auf dem Donauried lastet. Nicht nur Spaziergänger mit Hunden wurden beobachtet, die vor den Ökoflächen nicht halt machen, sondern auch Quads, die dort ihre Runden drehen. Grünen-Stadtrat Peter Hurler und Altstadtrat Ludwig Klingler sind in jahrelanger Arbeit bestens vertraut mit den Gegebenheiten auf den Ausgleichsflächen. Zusammen mit der Stadt Wertingen wird das Gebiet weiterentwickelt. Erst vor wenigen Wochen wurde ein neu erworbener Teil des Geländes aufbereitet, um auf einem ehemaligen Acker den Wiesenbrütern Lebensraum zu schaffen. Wichtig wäre – da waren sich alle Beteiligten einig – eine Vernetzung aller Ökoflächen im Donauried, um eine Ausbreitung und einen Austausch von Pflanzen, Insekten, Kleintieren und Vögeln zu ermöglichen. Doch bis dahin sei es noch ein weiter Weg.